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Postpartale Depressionen bei Männern

04.2024

Autorin Violetta Brauksiepe, Bsc. Hebammenwissenschaften, Hebamme aus Essen

IBei allen positiven Aspekten und Gefühlen bringt das Mutter- und Vatersein in seiner Komplexität auch Herausforderungen mit sich. Daher kann der Übergang zur Elternschaft oder die Erweiterung der Familie in gewisser Hinsicht als Risikophase für die psychische Gesundheit der Eltern betrachtet werden. Leiden Eltern unter Depressionen, kann das erhebliche Auswirkungen auf das Familienleben und das Leben des Kindes haben.

Die Aufmerksamkeit im Hinblick auf depressive Verstimmungen galt lange Zeit den betroffenen Müttern. Im Gegensatz zur mütterlichen postpartalen Depression sind psychische Krankheiten von Vätern nach einer Geburt weniger erforscht und daher seltener diagnostiziert und behandelt. Dabei ist die psychische Gesundheit von Vätern in der Zeit nach der Geburt von großer Bedeutung. So kann sich eine väterliche postpartale Depression sowohl auf die Partnerbeziehung als auch auf die Säuglingsbindung negativ auswirken. Studien belegen außerdem eine nachteilige Wirkung auf die emotionale Entwicklung der Kinder. Wenn Väter emotional gestärkt sind, können sie die negativen Auswirkungen einer mütterlichen PPD auf ihre Kinder abfedern. Dieser Puffer geht jedoch verloren, wenn auch der Vater von einer postpartalen Depression betroffen ist. [1,2,3]

Studien zufolge erkranken rund 5 bis 25 Prozent der Väter innerhalb der ersten 12 Monate nach der Geburt an einer postpartalen Depression. Der Zeitraum der höchsten Vorkommnisse liegt zwischen dem dritten und sechsten Lebensmonat des Neugeborenen. [4,5,6]

Mögliche Risikofaktoren

Eine vorangegangene Depression des Vaters kann eine Postpartale Depression begünstigen. Weitere mögliche Risikofaktoren sind belastende Lebensumstände der Familie (zum Beispiel finanzielle Sorgen), bestehende Paarprobleme der Eltern sowie mangelnde Unterstützung aus dem sozialen und familiären Umfeld. Werden Erwartungen an das neue Familienleben nicht erfüllt, kann dies ebenfalls eine Rolle spielen.

Diskutiert wird nicht zuletzt, ob hormonelle Veränderungen wie der Testosteronabfall in der Zeit nach der Geburt einen Einfluss haben. [7,8,9] Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen, dass der Testosteron-Level beim Vater nach der Geburt sinkt und die Prävalenz depressiver Symptomen mit anfallenden Werten zunimmt. Erklärbar wäre dieser Abfall als eine Reaktion der Natur auf die neue Vaterrolle mit dem Ziel, Väter enger an die Familie zu binden. [13] Hier wäre eine Aufklärung durch Primärversorger essenziell, damit Väter diese Veränderung verstehen und annehmen können.

CAVE: Einer der größten Risikofaktoren ist die Erkrankung der Partnerin. 25 bis 50 Prozent der Männer, deren Partnerinnen an einer postpartalen Depression leiden, erkranken später selbst. Somit besteht im übertragenen Sinne „Ansteckungsgefahr“! [10]

Symptome

Zu den allgemein bekannten Symptomen einer Depression, zum Beispiel Stimmungsschwankungen, vermindertes Interesse, Schlafstörungen oder Antriebslosigkeit, kommen bei einer Postpartalen Depression weitere Symptome hinzu. Dazu gehören negative Gefühle gegenüber dem Kind, Reizbarkeit, Aggressivität, Impulsivität oder übermäßige Angst des Vaters. [4,11]

Hebammenversorgung für Väter?

In Anbetracht der Folgen einer väterlichen PPD wäre es essenziell, dass dieser mehr Aufmerksamkeit in der Forschung wie auch in der Praxis gewidmet wird. In der Gesellschaft sowie bei den Primärversorgern in der Postpartalzeit sollte es selbstverständlich sein, nach dem Befinden des Vaters zu fragen. Das setzt voraus, dass Hebammen um die unterschiedlichen Äußerungen einer postpartalen Depression bei Männern wissen, um frühzeitig intervenieren und interdisziplinär vermitteln zu können. Da Väter aktuell leider keinen rechtlichen Anspruch auf Hebammenhilfe haben, gilt zu diskutieren, wie diese Betreuungslücke rechtlich, finanziell und bedarfsgerecht geschlossen werden kann. [12]

Referenzen:
[1] Wilson, S., Durbin, C. E. (2010). Effects of paternal depression on fathers' parenting behaviors: a meta-analytic review. Clinical Psychology Review, 30(2), 167–180. doi.org/10.1016/j.cpr.2009.10.007
[2] Kroschke, S. (2011). Postpartale posttraumatische und depressive Belastungen bei Müttern und Vätern in den ersten sechs Monaten nach Reifgeburt ihres Kindes. Eine Untersuchung in zwei Hamburger Geburtszentren (Unveröffentlichte Dissertation). Medizinische Fakultät der Universität Hamburg.
[3] Dorsch, V. (2013). Geburtserfahrung und postnatale Befindlichkeit von Vätern (Unveröffentlichte Dissertation). Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
[4] Pawils, S., Kochen, E., Weinbrenner, N. et al. Postpartale Depression – wer kümmert sich? Versorgungszugänge über Hebammen, Gynäkologie, Pädiatrie und Allgemeinmedizin. Bundesgesundheitsblatt 65, 658–667 (2022). doi.org/10.1007/s00103-022-03545-8
[5] Paulson, J. F., Bazemore, S. D. Prenatal and postpartum depression in fathers and its association with maternal depression. JAMA, 2010; 303: 1961–1969.
[6] Goodman, J. H. Paternal postpartum depression, its relationship to maternal postpartum depression, and implications for family health. J Adv Nurs. 2004 Jan; 45(1).
[7] Edward, K.-L., Castle, D., Mills, C., Davis, L., Casey, J. (2015). An integrative review of paternal depression. American Journal of Men’s Health, 9(1) 26–34.
[8] Bergstrom, M. (2013). Depressive symptoms in new first-time fathers: Associations with age, sociodemographic characteristics, and antenatal psychological well-being. Birth: Issues in Perinatal Care, 40(1), 32–38.
[9] Bielawska-Batorowicz, E., Kossakowska-Petrycka, K. (2006). Depressive mood in men after the birth of their offspring in relation to a partner's depression, social support, fathers' personality and prenatal expectations. Journal of Reproductive and Infant Psychology, 24:1, 21–29.
[10] Schraner, M., Meier Magistretti, C. (2016): Die Rolle der Väter bei postnatalen Depressionen. In: Hochschule Luzern. Im Auftrag des Vereins Postnatale Depression Schweiz.
[11] Gürber, S. (2015). Schutz- und Risikofaktoren für die Entstehung von postpartaler depressiver Symptomatik oder akuter Stressreaktion bei Müttern und Vätern (Unveröffentlichte Dissertation). Universität Basel.
[12] Seehafer, P., Franke, T. (2017). Hebammenhilfe auch für den Vater? Deutsche Hebammen Zeitschrift, 69(3), 42–43.
[13] Nachgefragt ... bei Prof. Dr. Sarah Kittel-Schneider. Hebammen Wissen 2, 15 (2021). doi.org/10.1007/s43877-020-0077-z